Coaching mit Pferden wird durch die Erfahrungen und Erlebnisse geprägt, die während der Coaching-Übungen mit dem Pferd erlebt werden. Ziel ist, die Reflektion des eigenen Führungsverhaltens, um Verhaltensmuster zu erkennen und Erkenntnisse zu erlangen, die auf den Führungsalltag transferiert werden können.
Die Übungen mit dem Pferd werden vom Boden aus durchgeführt. Reiterliche Erfahrungen oder Vorkenntnisse im Umgang mit Pferden sind daher nicht erforderlich.
Probleme mit dem Chef und Selbstzweifel im Führungsalltag
Die junge Führungskraft Dorothee S. fühlte sich in letzter Zeit in ihrer Führungsrolle nicht mehr wohl. Vor allem mit ihrem Chef hatte sie Probleme. Er kontrollierte alle ihre Schritte und sie musste sich für all ihr Handeln erklären. Kurz gesagt: Ihr Chef vertraute ihr nicht.
Andererseits ist sie in der Firma gut vernetzt und ihre Mitarbeitenden arbeiten gerne mit ihr. Die Arbeit an sich macht ihr Spass.
Mit dem Ziel, ihr Führungsverhalten – vor allem hinsichtlich ihres Chefs – zu reflektieren, kam
sie zu uns ins Einzel-Coaching. Es war ihr erstes Coaching mit Pferden. Sie war aufgeregt, freute sich aber auch sehr über diese andere Art des Coachings.
Ihre Erwartungshaltung in Bezug
auf das Coaching mit Pferden lag eher auf diesem besonderen Setting mit den Tieren. Da es vorher bereits einige Einzel-Coaching-Sitzungen gegeben hat, war das grundsätzliche Anliegen klar: „Wie
kann sie souverän ihren Chef überzeugen, damit sie nicht jeden ihrer Schritte erklären
muss?“
Unterschiedliche Charaktere der Co-Trainer (Pferde)
Wir arbeiten mit zwei verschiedenen Pferden: Nino und Tinto. Nino ist ein unternehmungslustiger Wallach, Haflinger und eine Art „Kumpeltyp“. Tinto, ein deutscher Traber, ist hingegen gerne der Chef und hält eine gewisse Distanz ob seiner Position für angemessen.
Wir starteten unser pferdegestütztes Coaching mit Nino. Dorothee erhielt die Aufgabe, mit Nino Kontakt aufzunehmen. Dorothee startete sofort mit der Aufgabe und schnell entstand eine grosse Nähe zwischen beiden. Sie näherte sich Nino sehr schnell und versuchte eine Beziehung zu ihm aufzubauen, indem sie ihn nach
kurzer Zeit berührte und am Hals streichelte. Sie schien keine Angst zu haben und fühlte sich sichtlich zu ihm hingezogen. Nino fühlte sich offensichtlich wohl und knabberte mit dem Maul
an Dorothee’s Tshirt.
Dorothee strahlte über das ganze Gesicht nachdem sie Aufgabe erfolgreich gemeistert hatte. Sie erzählte begeistert von Nino und wie knuddelig sie ihn findet.
Wie schafft man es, dass andere einem folgen?
Die zweite Aufgabe wurde schwieriger: Wir bauten einen Hindernis-Parcours auf. Dorothee bekam die Aufgabe, Nino ohne Seil durch den Parcours zu führen. Dorothee war zunächst irritiert: ohne Seil? Wir erläuterten, dass es erlaubt sei, zwischendurch Hilfsmittel zu verwenden. Zum Schluss soll das Pferd jedoch ohne Seil folgen.
Dorothee startete ohne Strick. Nino zeigte sich interessiert. Er war Dorothee die ganze Zeit zugewandt, aber er ging nicht mit. Dorothee war verunsichert. Sie schaute zu uns. Wir erläuterten nochmals, dass sie Unterstützung – auch in Form eines Seiles – nehmen dürfe. Daraufhin nahm sie das Seil und führte Nino durch den Parcours. Nino ging entspannt und locker mit. Nach kurzer Zeit löste Dorothee das Seil und jetzt folgte ihr Nino auch ohne Seil.
Was waren unsere Überlegungen beim Beobachten?
- die Chemie zwischen den beiden schien zu stimmen: Sind sie ähnliche „Typen“?
- Wieso schaute Dorothee zu uns? Was verunsicherte sie?
- Was waren ihre Erfolgsfaktoren, dass Nino ohne Seil mitgegangen ist? Ist es nur die „Typen-Ähnlichkeit“? Oder gibt es da noch mehr?
Bei der Nachbesprechung war Dorothee ausser sich vor Freude. Sie sagte, dass sie am Anfang nie geglaubt hätte, dass Nino ohne Seil mitkommen würde. Und dass sie dies nun geschafft hat, hat sie selbst positiv überrascht.
Erkenntnisse aus den Coaching-Übungen mit Pferden
Bei der gemeinsamen Video-Analyse und dem Transfer in ihre Berufswelt stellte Dorothee fest, dass sie schnell eine Ebene mit ihrem Gegenüber findet. Auch erkannte sie an ihrer Körperhaltung, dass diese wesentlich ist, um ihren Gegenüber zu überzeugen.
Denn nachdem die Führ-Übung mit dem Seil gut funktioniert hatte, strahlte sie dies in ihrer Körperhaltung auch aus. Diese Selbstsicherheit hat schlussendlich auch Nino überzeugt, ihr ohne Seil zu folgen. Auf die Frage hin, warum sie zu uns schaute, statt einfach mal selbst auszuprobieren, hat sie überhaupt erst wahrgenommen, dass sie verunsichert ist. Dies war früher nicht der Fall und ist erst in letzter Zeit mit ihrem neuen Chef entstanden.
Dorothee hat die folgenden Learnings für sich aus dem Coaching mit Pferden mitgenommen:
- wieder mehr auf ihre Körperhaltung und
- ihre innere Haltung/ Einstellung zu achten.
Anderes Pferd, neue Herausforderungen
Nach einer Pause starteten wir mit Tinto. Die ersten Übungen sind dieselben, nur das Pferd ist ein anderes. Schnell stellte sich heraus, dass Tinto von allzu viel Nähe nichts hält. Er wahrte räumlich die Distanz.
Daraufhin angesprochen schilderte Dorothee, dass sie dies spürte und ihr Nino lieber war. Tinto ist eher wie ihr Chef. Sie fühlte sich mit Tinto sichtlich unwohl. Bei dem Führen ohne Seil durch den Hindernis-Parcours griff Dorothee sofort zum Seil. Tinto ging zwar mit, blieb jedoch mehrfach stehen. Ohne Seil ging er gar nicht mit.
Bei der Video-Analyse erkannte Dorothee an ihrer Körperhaltung, dass diese nicht überzeugend war. Fest entschlossen es beim 2. Versuch besser zu machen ging sie mit aufrechter Haltung und mit klarem Blick durch den Parcours. Tinto ging dieses Mal deutlich williger mit und blieb auch nicht stehen. Ohne Seil funktionierte es trotzdem nicht.
Dennoch erkannte Dorothee bei der Video-Analyse ihre Fortschritte im Vergleich zum ersten Versuch.
3 Selbsterkenntnisse aus dem Coaching mit Pferden
Zusammenfassend schilderte Dorothee folgende Erkenntnisse:
- Nicht jeder Chef ist gleich. Ihr jetziger erwartet Klarheit in ihren Aussagen und dazu gehört auch die Körperhaltung. Sie will in Zukunft bewusst darauf achten.
- Sie hat viel an Selbstbewusstsein verloren. Die Übungen haben ihr jedoch gezeigt, dass sie mit einer klaren Haltung und einem klaren Ziel viel erreichen kann.
- Sie hat viel Einfühlungsvermögen, auch für ihre Mitarbeitenden. Doch nicht jeder Mensch/Pferd schätzt allzu viel Nähe.
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